Alle Artikel | About tz0.de

Erziehungskultur

Kinder werden geboren - und dann sind sie in der Welt, und wollen in dieser Begleitet werden. Kindererziehung ist etwas, mit dem man konfrontiert ist sobald Kinder irgendwo zu begleiten sind. Es ist auf gewisse Art nichts was sich manche Eltern aussuchen, es ist etwas mit was man sich konfrontiert sieht; Ohne vorher zu wissen was auf einen zukommt.

Erziehung geschieht ganz automatisch, sobald Kinder begleitet werden. Ob mit oder ohne Konzeption und Vorstellung ein erziehen stellt sich in einen Raum in dem Kontakt zu Kindern vorhanden ist.

Erziehung von Kindern

Erziehung ist ein Konzept verbunden mit einer Vorstellung der Einflussnahme über Heranwachsende.

»Unter Erziehung versteht man die pädagogische Einflussnahme auf die Entwicklung und das Verhalten Heranwachsender. Dabei beinhaltet der Begriff sowohl den Prozeß als auch das Resultat dieser Einflußnahme. WP«

In verschiedene Regionen der Erde bestehen unterschiedliche Konzepte darüber wie eine pädagogische Einflussnahme auf Heranwachsende stattfinden soll, oder gegebenenfalls gar Normativ stattzufinden hat.

Auch innerhalb einer Sprachkultur bestehen teilweise Regional und auch Familienkulturell Unterschiede in der Vorstellung einer solchen Einflussnahme.

Vorstellungen darüber wie solche Einflussnahme stattzufinden hat, oder gepflegt werden soll verändern sich von Zeit zu Zeit, bilden bestimmte Traditionen - die im Rahmen eines Milieus und einer Generation unterschiedlich gedeutet, interpretiert und durchgeführt werden.

Welche Erziehungskultur spezifisch für welche Heranwachsenden (Kinder & Jugendlichen) benutzt und gepflegt werden hängt somit von vielen Faktoren ab, die weder normalisiert werden, noch auf Allgemeine Art genau Klassifizierbar sind. Jede Gruppe (Milieu, Altersklasse, Region, Familie, Individuum, …) hat ihre eigene Vorstellung davon, wie Erziehung auszusehen hat.

Manchmal ist es gar so, dass der Disput und Streit darüber wie so etwas abzulaufen hat eine planbare Erziehung von Heranwachsenden fundamental eher verhindert, statt tatsächlichen Nutzen bringt. Auch können dadurch negativ konstruierte Erziehungsaspekte entstehen, die gerade das - was von Akteuren erwünscht wäre nicht entstehen lässt, nicht entstehen lassen kann.

Weltreichweite

Erziehung dreht sich hauptsächlich und Grundsätzlich darum »Weltreichweite für Heranwachsende« zu schaffen.

Weltreichweite ist, was wir als Menschen »geistig« Erreichen wollen, müssen – und auch können. Welt ist das »was uns umgibt«. Wir als Menschen erreichen diese Welt, indem wir unsere »geistige« Reichweite vergrössern und erweitern.

Als Menschen sind wir stetig dazu bestrebt diese Reichweite zu erweitern, denn Welt ist was uns ausmacht. Das was wir als Welt erreichen bildet den geistigen Horizont, den wir als Menschen erfassen werden können. Als Menschen können wir nur erfassen, was sich in Reichweite der Welt befindet, die wir erreichen und damit wahrnehmen und erfassen können. Indem wir »was wir wahrnehmen« (und damit was wir erreichen können) erweitern und vergrößern schaffen wir einen Raum, in dem wir »geistig«, und je nachdem auch physisch (körperlich) leben.

Heranwachsende (Kinder und Jugendliche) erschaffen sich ein Gespür dafür, wie Welt beschaffen ist. Weltwahrnehmung ist je nach Bewusstsein und Alter eines Kindes (stark) gebunden an Bezugspersonen. Für junge Menschen kann nur das an Welt erreicht werden, was Mutter und Vater als Welt zur Verfügung stellen. Alles andere existiert als Welt nicht. Wenn etwas nicht erreicht werden kann, dann befindet es sich außerhalb des Bewusstseinshorizontes. Steht also für einen Menschen nicht zur Verfügung; Gegebenenfalls weiß derjenige Mensch (ohne bisherige Erfahrung) noch nicht einmal von der Existenz einer jeweiligen Welt.

Von etwas affiziert sein

Heranwachsende Menschen lernen Welt kennen. Welt kann vielfältig und vielschichtig sein - doch das wissen Heranwachsende noch nicht, die Erfahrung von Welt ist beschränkt durch die Orte an denen sich heranwachsende aufhalten; Und das sind meist formale Institutionen die einzig für solche Zwecke des aufenthalts für heranwachsende gebaut wurden. An diesen Institutionen gelten Regeln, die für diese Institutionen spezifisch sind, und rein gar nichts mit wirklicher Welt zu tun haben.

Begleitung

Erziehung ist kein ziehen und drücken der Kinder - oder gewaltsam in Richtungen zu lenken. Auf dieser Ebene können Kinder nicht "erzogen werden". Erziehung ist ein Begleiten auf Wegen, die Kindern diese Wege ermöglichen.

Die Aufgabe der Eltern ist es nicht ihre Kinder vor der Welt zu schützen; ihre Aufgabe ist es ihren Kindern zu ermöglichen Wege zu finden um in der Welt zu leben.

Damit diese Begleitung Möglich wird benötigt es Vertrauen, das gegenseitig vorhanden sein muss, um Wirklung zu entfalten. Oder Vertrauen, das sich entwickeln muss, das geschaffen werden muss; damit durch Vertrauen in Erzieher und Begleiter auch Vertrauen in Welt und die Möglichkeiten die sich in dieser Welt ergeben entstehen kann.

Begleitung ist 'geistige und körperliche Begleitung'. Kinder die klein sind benötigen mehr körperliche Begleitung als größere Kinder. Geistige Begleitung ist so lange nötig, wie der Geist von einem Kind noch nicht selbst in der Welt affizieren gelernt hat.

Erziehungsvorstellungen

In der Praxis und auch der Theorie von Erziehung existieren viele unterschiedliche Vorstellungen, die zu verschiedenen Formen der Umsetzung entsprechender Vorgehensweisen führen.

Unterschiedliche Erkenntnisse und Persönlichkeitseigenschaften der zu erziehenden sowohl auch der Erzieher führen zu teilweise sehr verschiedenen Formen einer Erziehungskultur. Manche der gepflegten Vorstellungen sind dabei untereinander kompatibel - und können nebeneinander her existieren, andere sind kategorisch nicht miteinander (gleichzeitig) kombinierbar.

Grundlegende Unterschiede differenzieren sich vor allem zunächst darin ob ein erziehender in der Tendenz sozialisierende oder konditionierende Vorstellungen über Erziehung hegt.

Der Grundlegende Unterschied von Sozialisierung und Konditionierung muss - um dies nachvollziehen zu können - demjenigen der es nachvollziehen möchte bekannt sein.

Konditionierung

Unter Konditionierung versteht man in der Lernpsychologie Formen des Lernens von Reiz-Reiz-Assoziationen bzw. Reiz-Reaktions-Assoziationen (Stimulus-Response-Lernen) durch wiederholte Koppelung von Reizen. WP

Konditionierung ist in der Lern und Erziehungspsychologie ein vielschichtiges Thema. Mit dieser Methode lassen sich bei Kindern (wenn man weiß was man tut) festgefressene destruktive Verhaltensmuster auflösen. Genauso kann (wenn man nicht weiß was man tut) destruktives Verhalten dadurch überhaupt erst entstehen.

Konditionierung ist im Grunde Manipulation des Geistes und des Verhaltens von Kindern (oder Menschen im Allgemeinen, wenn sich was man meint auf Menschen bezieht, und nicht beispielsweise auf Tiere). Tiere (z.B. Hunde) können in der Erziehung nur Konditioniert werden, und nicht sozialisiert. 1 Der Vorgang der Konditionierung soll (in der Vorstellung mancher Erzieher) dafür sorgen, dass das Kind so wird, wie die Eltern es gerne hätten. Dabei wird über den Charakter, die Persönlichkeit sowie Veranlagungen des Kindes hinweg gegangen. Es wird dabei manipuliert: "Wir haben dich lieb, wenn du XY machst. Wenn nicht, haben wir dich nicht lieb."

Sozialisation

Sozialisation ist die Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster durch Internalisation (Verinnerlichung) von sozialen Normen. Sozialisation bezeichnet zum einen die Entwicklung der Persönlichkeit aufgrund ihrer Interaktion mit einer spezifischen, materiellen und sozialen Umwelt, zum anderen die sozialen Bindungen von Individuen, die sich im Zuge sozialisatorischer Beziehungen konstituieren. WP

Sozialisation bringt einem Kind, einem Zögling die Welt näher, indem es mit Persönlichkeiten aus der sozialen Umwelt interagiert. Sozialisation wirkt über das zusammenwirken von 'Erziehung und Beziehung'. Die Sozialisation ist für uns Menschen die natürliche Art Zöglinge in eine Welt einzuführen und diese Welt dem zu erziehenden Kind nahe zu bringen.

Unterschiede

Konditionierung und Sozialisation als radikal gedachte Vorstellung über Erziehung eines Kindes kann nicht (oder nur schwer, nahezu unmöglich) gleichzeitig am selben Ort bestehen.

Es kann vorkommen, dass ein erziehungsstil, der sich an Vorstellungen der Sozialisation orientiert manchmal konditionierende erzieherische Maßnahmen erfordert. Das ist mit einem 'gleichzeitig am selben Ort bestehen' nicht gemeint. Es geht dabei um die grundlegende Form einer Vorstellung über eine erziehungspraktische Anwendung prinzipieller Art.

Konditionierung entspricht dabei einem Character von Ausbildung - bei der Grundlegende Muster einer Weltinterpretation mit allen erzieherischen Mitteln in das Kind konditioniert werden soll. Spezifische Persönlichkeitseigenschaften, Talente, Fähigkeiten oder gar Wünsche und Präferenzen des Kindes werden dabei ignoriert.

Eine Sozialisation schafft durch Symetrisierung von objektiver und subjektiver Wirklichkeit eine natürliche Identität. 2

Eure Kinder

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.

Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht

des Lebens nach sich selber.

Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,

Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,

aber nicht eure Gedanken,

Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.

Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,

aber nicht ihren Seelen,

Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,

das ihr nicht besuchen könnt,

nicht einmal in euren Träumen.

Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,

aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.

Denn das Leben läuft nicht rückwärts

noch verweilt es im Gestern.

Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder

als lebende Pfeile ausgeschickt werden.

Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,

und er spannt euch mit seiner Macht,

damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.

Laßt eure Bogen von er Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;

Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

– Khalil Gibran (* 06.01.1883, † 10.04.1931)

Was soll werden (Zukunft)

Der Geist von Kindern lebt in der Zukunft. Dieser Geist stammt jedoch aus der jetzigen Gegenwart, »der Vergangenheit des Kindes«.

Was JETZT an Kinder vermittelt wird, werden diese in der Zukunft leben und umsetzen. Schaffen wir es nicht, diese Gegenwart (im jetzt) so zu gestalten, dass Kinder essenziell wichtige Fähigkeiten rudimentärer Art durch diese gestaltung mitbekommen, dann ist Zukunft gefährdet in der diese Kinder leben werden.

Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. –Sokrates (griechischer Philosoph * um 469 vChr, † 399 vChr)

Solche Umstände sind nichts neues. Schon zu jender Zeit von Sokrates war es scheinbar auffallend, dass "Die Jugend" sich anders verhalten hat, als es die Elterngeneration von ihnen wohl erwartete.

Es ist nicht so, dass alles zusammenbricht, wenn im JETZT von Kindern einzelne Kleinigkeiten problematisch sind; Darum geht es auch nicht. Kinder sind sehr gut im Kompensieren einzelner Aspekte, die nicht optimal sind. Es geht vielmehr um ein größeres ganzes. Es geht um Erwartungen, die für manche Totalen und Absoluten Character haben. Es geht darum wie Welt interpretiert wird, und es geht darum ob Eltern »Einseitige und Einfältige Interpretationen bevorzugen, und diese dann an die Kinder weitergeben«, oder ob ein Kind »Vielschichtige und unterschiedliche Interpretationen erleben darf«. Solche Aspekte sind vielmehr »tatsächliche Aspekte«.

Wenn Kinder in eine Welt gepackt werden, in der alles perfekt geplant und ausgearbeitet ist, wenn Kinder nur eine Welt kennenlernen und von allen anderen Möglichkeiten der Interpretation von Wirklichkeit explizit und mit Elterlicher Gewalt ferngehalten werden; dann ist das auf gewisse Art unnatürlich und wird seine Folgen haben. Diese Kinder werden es schwer haben später Flexibel zu sein in der interpretation von Wirklichkeit. Vielschichtige Aspekte von Bildung und Wirken nachvollziehen zu können.

Kinder brauchen die Welt um zu wachsen.

Deshalb ist es die Aufgabe einer Umgebung des Kindes ihnen diese Welt verfügbar zu machen.

Verfügbar wird eine Welt, indem man sich mit einer Welt auseinandersetzt. Damit man sich mit einer Welt auseinandersetzen kann muss diese Welt erreichbar und verfügbar sein. Nicht das Kind ist es, das sich der Welt verfügbar macht - es ist die Welt, die für das Kind erreichbar sein muss, damit ein Kind Aspekte aus dieser Welt affizieren kann.

Kinder nachhaltig mit sich selbt zu überlassen ist der beste Weg, dass Kinder eine Welt nicht erreichen können werden. Kinder brauchen Welt um zu wachsen, und die Begleitenden Personen (Erziehende) machen diese Welt für ein Kind erreichbar. Ein Kind hat dann die Möglichkeit sich mit etwas aus dieser Welt zu identifizieren und beispielsweise zu sagen "Okey, das passt zu mir, das möchte ich auch erreichen und mir zueigen machen". Ohne Erreichbarkeit von Optionen wird es kein zu-eigen machen geben können. Das bedeuet ein Kind bleibt unaffiziert und leer, weil es nichts gibt aus der Welt, was Affizierung auslösen könnte. Daraus entstehen Kinder, die sich für nichts interessieren, die desinteressiert sind, und die nicht wissen was sie mit ihrem Leben machen sollen und können. Es gab ja nie etwas mit was sie sich in der Welt affizieren hätten können. Wenn Welt nicht erreichbar ist - oder erreichbar scheint für Kinder, dann leben sie in 'ihrer eigenen Welt' und schaffen sich eine Fantasiewirklichkeit die nichts mit der tatsächlichen Welt zu tun hat. Manche dieser Kinder werden niemals in der wirklichen Welt leben können, weil sie die Fantasiewelt aus Kindergarten, Schule und teilweise dem Studium für die echte Welt halten. Schade eigentlich, wenn Welt nie erreichbar gemacht wurde.


  1. Die Beschreibung ist hier sehr Oberflächlich und vereinfacht gewählt; Erziehungs- und Sozialwissenschaftlich werden Aspekte einer Konditionierung von Menschen umstritten debattiert. Die Begrifflichkeit Konditionierung ist hier absichtlich auf eine bestimte Art auf Kinder bezogen. Um in Wissenschaftliche Aspekte von Konditionierung tiefer einzutauchen würde es den Rahmen für hier sprengen. Gemeint ist "Das anerziehen bestimmter Konditionen durch Gewalt und Drohungshandlungen", ein Konditionieren im Sozialwissenschaftlichen Geisteswissenschaftlichen Sinne. 

  2. Wenn die Sozialisation erfolgreich im Sinne des jeweiligen Umfeldes verläuft, verinnerlicht das Individuum die sozialen Normen, Wertvorstellungen, Repräsentationen, aber auch zum Beispiel die sozialen Rollen seiner gesellschaftlichen und kulturellen Umgebung. Als „erfolgreiche Sozialisation“ sehen wir ein hohes Maß an Symmetrie von objektiver und subjektiver Wirklichkeit (und natürlich Identität) an. Umgekehrt muss demnach „erfolglose Sozialisation“ als Asymmetrie zwischen objektiver und subjektiver Wirklichkeit verstanden werden. (Berger/Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit (1969), S. 175) WP 

Revision: 15
(created) 05.09.2019 | (edit) 16.01.2020
Words: